
Mindset – warum es nicht nur aus Gedanken besteht – und was sonst noch dazu gehört
Woraus das Mindset so alles besteht und warum nicht nur Glaubenssätze dazugehören, erklärt dieser Artikel.
Wie verändert man Glaubenssätze? Diese Frage stellen meine Klient/innen so oder in ähnlicher Form recht häufig.
Was Glaubenssätze und Bewertungen sind, warum es manchmal schwierig ist,
sie zu verändern und wie Du es am Ende doch noch schaffen kannst, erfährst Du in diesem Artikel.
Zunächst einmal unterscheiden sich Glaubenssätze von Bewertungen. Sie sind zwei unterschiedliche Paar Wanderschuhe. Glaubenssätze gehören zu unseren individuellen Programmen. Bewertungen sind Reaktionen auf eine Situation aufgrund von Glaubenssätzen. Regeln werden aus Bewertungen abgeleitet.
Bei Glaubenssätzen (= Grundannahmen bzw. Grundüberzeugungen) handelt es sich um eine tief verankerte Einstellung über sich, die Umwelt und die Zukunft. Sie sind ein Teil unserer Programme bzw. Persönlichkeitsanteile. Zu diesen Programmen gehören neben den Glaubenssätzen auf der gedankliche Ebene auch Emotionen, Verhaltensweisen und körperliche Empfindungen. Auch die dazugehörige Situation und die Konsequenz unserer Reaktion sind in einem Programm gespeichert. Programme, also auch die Glaubenssätze, sind starr, so gut wie nicht bewusst, sehr allgemein und situationsübergreifend.
Bsp. “Ich bin unfähig.”
Bewertungen (= automatische Gedanken) hingegen entstehen in einer jeweiligen Situation durch die Programme, die im Hintergrund laufen. Bewertungen sind demnach spezifisch für eine bestimmt Situation und die gedankliche Komponente einer Reaktion.
Auch sie sind wenig bewusst, oft aber leichter erkennbar als Glaubenssätze, weil sie detaillierter sind. Man kann sich Bewertungen wie ein Selbstgespräch vorstellen, das sehr schnell und automatisiert abläuft.
Bsp. “800 km laufen? Mit Kondition gleich null und 30 kg zuviel. Das schaffe ich eh nicht!”
Falls das etwas verwirrend ist, findest Du hier eine genauere Beschreibung.
Bewertungen sind also das Ergebnis unserer verinnerlichten Programme und ein Teil der Reaktion. Sie wirken sich auf das Gefühl, die Verhaltensweisen und die körperlichen Empfindungen in einer Situation aus. Im Positiven, wie im Negativen.
Wir Menschen tendieren dazu, auf Situationen mit Bewertungen zu reagieren. Sie helfen uns, eine Situation schnell einzuschätzen. Dabei können jedoch Denkfehler entstehen.
Denkfehler sind logische Fehler im Denken. Vielleicht hast Du schon einmal etwas von Schwarz/Weiß-Denken gehört oder kennst Menschen, die aus einer Mücke einen Elefanten machen. Diese Bewertungen werden durch unsere individuellen Programme aktiviert. Bewertungen sind immer subjektiv. Denn eine andere Person kann dieselbe Situation völlig anders einschätzen.
Auf Kilometer 735, kurz vor dem Ende der Pilgerreise. “Ich bin immer noch viel langsamer als die anderen. Ich kriege einfach nichts auf die Reihe.”
“Dass der nette belgische Pilger jetzt lieber mit der sportlichen Spanierin läuft, ist ganz klar. Ich bin nicht sportlich genug und noch dazu habe ich ein paar Kilo zuviel.“
“Dass ich am Tag nur 20 km schaffe zeigt wiedermal, wie unfit ich bin.”
“Dass ich die 800 km in 25 Tagen geschafft habe, ist doch selbstverständlich.”
Astrids Handy wurde in der Herberge geklaut. Sie denkt: “Das beweist wieder mal, dass man niemandem vertrauen kann.”
“Dass Georg, meine Pilgerbekanntschaft, mir kein Getränk ausgibt, kann nur bedeuten, dass ich es ihm nicht wert bin.” (Obwohl Georg ihr den Stuhl zurecht gerückt, liebevoll die Blase am Fuß verarztet und gestern sogar ein Bett in der Herberge für sie freigehalten hat.)
“Entweder ich habe sechs Woche Zeit, sodass ich den kompletten Weg in Ruhe pilgern kann oder ich gehe gar nicht erst los.”
Annette ist lose mit José am nächsten Etappenziel in Las Herrerías verabredet. Er kommt nicht. Annette denkt: “Oh Gott, er ist bestimmt auf der N-VI von einem Auto erfasst worden.”
“Ich fühle mich ungeliebt, also liebst Du mich nicht.”
Durch eine Sehnenentzündung muss Ulrike den Weg abbrechen. Sie denkt: “Ich bin die totale Versagerin.”
“Die anderen Pilger denken ich bin langweilig, unattraktiv, lahm, dumm usw.”, ohne überprüft zu haben, was die anderen Pilger wirklich denken.
Christine ist wegen der Trennung von ihrem Mann auf dem Weg. Sie denkt: “Er hat mich wegen dieser Outdoorbloggerin verlassen. Mein gesamtes Leben ist im Arsch. Aber vielleicht merkt er ja hierdurch, dass ich auch ,Outdoor’ kann.” (Sie bricht die Trennung auf das Thema Outdoor runter und übersieht, dass es außerdem noch andere Bereiche im Leben gibt, die funktionieren oder schief laufen können, z.B. Interessen, Gesundheit, Finanzen, Job und Freundschaften…)
Wenn wir uns neue Glaubenssätzen aneignen möchten, passiert es recht häufig, dass wir uns für den Moment damit besser fühlen. Doch nach einiger Zeit lässt die Wirkung nach und die alten Grundannahmen kommen wieder häufiger zum Vorschein.
Meist liegt es daran, dass ein Glaubenssatz nur ein Teil eines alten Programms bzw. eines Persönlichkeitsanteils ist. Wenn ein Persönlichkeitsanteil aktiviert wird, kommt ein einzelner Satz nicht dagegen an. So ähnlich wie ein Krieger gegen ein ganzes Heer.
Es entsteht ein innerer Widerstand gegenüber dem neuen Glaubenssatz. Das führt dazu, dass dieser einfach durch die bestehenden Programme überrannt wird. Dieses Phänomen nennt sich kognitive Dissonanz.
Deshalb ist es sinnvoll, nicht nur Glaubenssätze zu verändern, sondern das gesamte Programm. In der Praxis heißt es dann zu lernen, mit dem Persönlichkeitsanteil konstruktiver umzugehen.
Näheres findest Du in den Artikeln zu den Persönlichkeitsanteilen bzw. Affirmationen.
Da Grundannahmen/Persönlichkeitsanteile und Bewertungen oft wenig bis gar nicht bewusst sind, kann ein erster Schritt sein, sich zu beobachten. Nimm Bewertungen in bestimmten Situationen wahr und sammle sie. Versuche, die Gemeinsamkeit zu finden, die den Bewertungen aus den verschiedenen Situationen zugrunde liegt. Lässt sich kein gemeinsamer Hintergrund finden, könnten auch mehrere Programme dahinterstecken.
Glaubenssätze zu verändern braucht etwas Zeit, Hingabe und Durchhaltevermögen. Für einen dauerhaften Erfolg ist es sinnvoll, das gesamte Programm, zu dem der Glaubenssatz gehört, zu verändern. Ein neuer Glaubenssatz ist ein gefühlloses Gebilde und kommt gegen ein Programm mit spezifischen Gedanken, Emotionen, Handlungen und Körperempfindungen nicht an. Besonders gut funktioniert das Verändern über eine erlebnisorientierte Art und Weise, wie einem inneren Dialog mit den Persönlichkeitsanteilen.
Beobachte Dich. Nimm wahr, wenn ein Programm aktiviert wurde. Spüre, was in Dir abläuft und halte die dazugehörigen Gedanken, Gefühle, Verhaltensweisen und körperlichen Empfindungen Deiner Reaktion fest. Am besten schriftlich.
Überlege, wo Du in der Vergangenheit schon so gefühlt, gedacht und empfunden hast. Fallen Dir konkrete Situationen dazu ein?
Finde einen neutralen oder konstruktiven Ausdruck für den Glaubenssatz.
Spüre wieder in Dich hinein. Welcher Glaubenssatz fühlt sich besser an? Alt oder neu?
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Beck, A.T., Rush, A.J. Shaw, B.F. & Emery, G. (2010). Kognitive Therapie der Depression (2.Aufl.). Beltz. Weinheim.
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